Logbuch

[BORD-TAGEBUCH] «Es ist frustrierend zu wissen, dass die meisten zivilen Such- und Rettungsschiffe daran gehindert werden, auf der tödlichsten maritimen Fluchtroute im Einsatz zu sein.»

Matthijs begann im Alter von 26 Jahren als Seenotretter zu arbeiten. Der ehemalige Uhrenmacher wurde 1993 in Belgien geboren und erwarb 2016 sein Schifffahtsingenieur-Diplom von der Marineakademie Antwerpen. Matthijs begann seine Karriere als Seemann in einem Baggerunternehmen, wo er als Ingenieur arbeitete. Er liebte es, um die Welt zu reisen: von Europa bis zum Nahen Osten, nach Südostasien und Westafrika. Doch nach zweieinhalb Jahren verspürte er das Bedürfnis, sein Können für soziale und/oder ökologische Anliegen einzusetzen. Als er die Nachrichten über die Schiffsunglücke in den Medien sah, schloss er sich 2019 SOS MEDITERRANEE an.

Als Crewmitglied, das während Rettungen auf dem Deck bleibt, reich Matthijs als einer der Ersten den Überlebenden die Hand, wenn sie an Bord der Ocean Viking kommen. Bis heute hat er an fünf Rettungseinsätzen im zentralen Mittelmeer teilgenommen. Von Ende Juli bis Ende September dieses Jahres arbeitete Matthijs mit anderen Teammitgliedern an der Wartung der Ocean Viking sowie der Rettungsausrüstung, nachdem das Schiff in Sizilien festgesetzt wurde.

«Nach meinem ersten Rettungseinsatz war ich überwältigt von der Anzahl Menschen auf dem Deck der Ocean Viking. Manchmal ist es für mich immer noch schwierig nachzuvollziehen, wie unterschiedlich unsere Leben im Vergleich zu den Geretteten verlaufen sind und wie es kommt, dass wir uns alle auf demselben Boot wiedergefunden haben. Obwohl es bestärkend ist, wenn uns die Überlebenden ihre Dankbarkeit zeigen, führt dies zu einer falschen Machtdynamik, die ich am liebsten auslöschen würde. Ich wünschte, ich könnte auf gleicher Ebene mit ihnen in Kontakt treten.

Obwohl die Festsetzung der Ocean Viking inakzeptabel ist, versuchen wir, positiv zu bleiben. Wir nehmen Verbesserungen am Schiff und Wartungsarbeiten an der Rettungsausrüstung vor, und arbeiten daran, unser Ausrüstungsinventar auf dem neuesten Stand zu halten. Gemeinsam mit meinen Kolleg*innen verfolge ich aufmerksam, was im zentralen Mittelmeer geschieht. Es ist frustrierend zu wissen, dass die meisten zivilen Such- und Rettungsschiffe daran gehindert werden, auf der tödlichsten maritimen Fluchtroute im Einsatz zu sein. Dennoch hoffen wir, dass wir bald wieder in See stechen dürfen. Ich bin überzeugt, dass wir mit unserer Arbeit etwas erreichen können und hoffe, zur Bildung einer humanistischen öffentlichen Meinung beitragen zu können».

Fotocredit des Titelbilds: Anthony Jean / SOS MEDITERRANEE